Zwischen Vergangenheit und Zukunft [Von den Anfängen bis zur Gegenwart] – unser Institut im Wandel der Zeiten

1888 – Die Gründung des Instituts

1881 öffnet Papst Leo XIII. das Vatikanische Geheimarchiv für Forschende jeder Konfession und Staatsangehörigkeit. Die Möglichkeit, in diesem weltweit einzigartigen Archiv zu recherchieren, löst unter Wissenschaftlern eine regelrechte Goldgräberstimmung aus: Sie hoffen, bislang unzugängliche Quellen zur Geschichte des Mittelalters und der Frühen Neuzeit zu finden. Somit wird Rom, das sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einem Zentrum internationaler archäologischer Forschung entwickelt hat, nun auch besonders attraktiv für die Geschichtswissenschaft.
Deutsche Wissenschaftler und Wissenschaftspolitiker unternehmen seit 1883 Anläufe, ein Institut in Rom zu eröffnen. Schließlich gründet der größte deutsche Bundesstaat Preußen 1888 eine eigene Einrichtung. Sie heißt zunächst Königlich Preußische Historische Station, seit 1890 Königlich Preußisches Historisches Institut.
Am Anfang ist das Institut rein nationalhistorisch ausgerichtet. Laut Gründungsstatut bestehen seine Aufgaben in der "wissenschaftlichen Erforschung deutscher Geschichte zunächst im vatikanischen Archiv, sodann in den übrigen römischen und italienischen Archiven und Bibliotheken" sowie der "Unterstützung vorübergehend in Rom bzw. Italien arbeitender deutscher Forscher mit Rat und Tat".
 

1890 bis 1900 – Erste Großprojekte

Bereits kurze Zeit nach der Gründung des Instituts werden zwei Großprojekte in Angriff genommen, die bis heute Teil unserer Arbeit sind: die Edition der "Nuntiaturberichte aus Deutschland" des 16. und 17. Jahrhunderts und das "Repertorium Germanicum" für den Zeitraum zwischen 1378 und 1517. Angeregt wird die Erstellung des "Repertorium Germanicum" durch den späteren Friedensnobelpreisträger Ludwig Quidde, der dem Institut zwischen 1890 und 1892 vorsteht. Unter seinem Nachfolger Walter Friedensburg erscheinen seit 1898 die ersten Bände der Institutszeitschrift "Quellen und Forschungen aus Italienischen Archiven und Bibliotheken".
 

Vom Jahrhundertbeginn bis 1915 – Herausforderungen und Erfolge

Paul Fridolin Kehr leitet das Institut zwischen 1903 und 1936. In dieser Zeit steigt er zu einem der einflussreichsten Wissenschaftspolitiker Deutschlands auf. Dem Haus gibt er in seiner ungewöhnlich langen Amtszeit ein Profil, das noch bis weit in die Nachkriegszeit hinein prägend sein wird. Bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs erlebt das Institut eine Phase der Konsolidierung.
Als Urkundenforscher konzentriert Kehr die Aktivitäten auf die mediävistische Grundlagenforschung, die nun unter anderem auf die Bestände zur Reichsgeschichte in italienischen Archiven ausgeweitet wird. Außerdem etabliert er die Zusammenarbeit mit den Monumenta Germaniae Historica, die er seit 1919 ebenfalls leitet, und mit dem Göttinger Papsturkundenwerk "Italia Pontificia", das von ihm initiiert wurde. Eine weitere Kooperation beginnt er mit dem Istituto Storico Italiano per il Medio Evo.
Seit 1905 veröffentlicht das Institut die Schriftenreihe "Bibliothek des Kgl. Preußischen Historischen Instituts", die heute als "Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts in Rom" weitergeführt wird.
 

1915 bis 1923 – Erste Schließung des Instituts

Nach dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg auf Seiten der Entente im Mai 1915 muss das Historische Institut in Rom seine Aktivitäten einstellen. Die Bibliothek bleibt zunächst in den Institutsräumen im Palazzo Giustiniani, muss aber 1918 in die preußische Botschaft am Heiligen Stuhl umziehen. Nachdem sich der italienische Minister für das Bildungswesen, Benedetto Croce, 1920 für die Wiedereröffnung der deutschen Kultureinrichtungen in Rom eingesetzt hat, kehren Institut und Bibliothek Ende 1922 in den Palazzo Giustiniani zurück.
 

1924 bis 1933 – Krisenzeiten

Erst nach Ende der Inflation kann 1924 die Arbeit in Rom wieder beginnen – mit deutlich eingeschränkter finanzieller und personeller Ausstattung. 1928 wird die Vorkriegsverfassung des Instituts wieder hergestellt und die Arbeit am "Repertorium Germanicum" fortgesetzt. 1932 droht der Forschungseinrichtung die Verlegung nach Berlin oder gar die Schließung. Paul Fridolin Kehr kann den Fortbestand des Instituts in Rom sichern, indem er auf dessen Bedeutung für die politisch-kulturellen Beziehungen zum Vatikan und zu Italien verweist.
 

1933 bis 1945 – Die nationalsozialistische Zeit und der Zweite Weltkrieg

1935 wird das Preußische Historische Institut in Rom mit den Monumenta Germaniae Historica in Berlin zum Reichsinstitut für ältere deutsche Geschichtskunde zusammengeschlossen. Dadurch werden beide Einrichtungen in das Gefüge der nationalsozialistischen Wissenschaftsorganisationen im Zuständigkeitsbereich des Reichswissenschaftsministeriums überführt.
1937 erhält die römische Zweigstelle den Namen Deutsches Historisches Institut in Rom. Es übernimmt nach dem 'Anschluss' Österreichs 1938 das Österreichische Kulturinstitut und bezieht 1939 dessen neu errichtetes Gebäude. Das Österreichische Kulturinstitut in Rom wird 1950 neu gegründet. Doch erst 1981 erhält die Historische Sektion ihre Eigenständigkeit als Historisches Institut beim Österreichischen Kulturinstitut zurück.
Nach dem Waffenstillstand Italiens mit den Alliierten im September 1943 und der deutschen Besetzung des Landes stellt das DHI in Rom seine Aktivitäten ein. Die Institutsbibliothek wird nach Deutschland transportiert.
 

1946 bis 1953 – Schwierige Verhandlungen über die Wiedereröffnung

1946 werden die Bücher des Instituts nach Rom zurückgebracht und in der Vatikanischen Bibliothek eingelagert. Ob die deutschen Kultur- und Forschungseinrichtungen ihre Arbeit in Rom wieder aufnehmen dürfen, ist indessen ungewiss. Deren treuhänderische Verwaltung übernimmt die 1946 gegründete Unione Internazionale degli Istituti di Archeologia, Storia e Storia dell'Arte in Roma. Kurzfristig erwägt der italienische Staat 1948 eine Enteignung. Sie kann mit Unterstützung italienischer Wissenschaftler abgewendet werden.
1953 einigen sich Bundeskanzler Konrad Adenauer und Ministerpräsident Alcide de Gasperi darauf, dass die deutschen Institute in Italien ihre Arbeit wieder aufnehmen. Am 30. April 1953 wird ein entsprechendes Abkommen zwischen den Westalliierten, Italien und der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert.
 

1953 bis 1961 – Neubeginn und Einrichtung der Musikgeschichtlichen Abteilung

Am 30. Oktober 1953 wird das Deutsche Historische Institut in Rom am Corso Vittorio Emanuele II wiedereröffnet. Erster Direktor ist bis 1961 Walther Holtzmann. Er ist seit seiner Zeit als Assistent Paul Fridolin Kehrs in den zwanziger Jahren mit dem Institut vertraut und knüpft an die Großprojekte der Vorkriegszeit an: Die Arbeiten am "Repertorium Germanicum" und an den "Nuntiaturberichten" werden fortgeführt und die Edition der Papsturkunden "Italia Pontificia" vorläufig abgeschlossen.
1960 wird die Musikgeschichtliche Abteilung des DHI eröffnet. Sie erforscht zunächst die italienisch-deutschen Musikbeziehungen im Zeitalter des Barock. Später wird ihr Fokus auf die Zeit des ausgehenden Mittelalters bis in die Gegenwart erweitert. Die Abteilung publiziert Aufsatzbände und Monografien in der Reihe "Analecta musicologica" und Editionen von Musikwerken in der Reihe "Concentus musicus". Schon nach kurzer Zeit nimmt sie einen festen Platz in der deutschen und italienischen Musikwissenschaft ein.
1961 wird dem Deutschen Historischen Institut ein neunköpfiger wissenschaftlicher Beirat an die Seite gestellt. Er berät die Direktion in wissenschaftlichen, personellen und organisatorischen Fragen.
 

1962 bis zur Jahrtausendwende – neue Aufgaben und Themen

Parallel zum wachsenden Interesse von Wissenschaft, Politik und Presse dehnt das Deutsche Historische Institut seit den sechziger Jahren seine Forschungsschwerpunkte auf die Geschichte des 19. und des 20. Jahrhunderts aus. Insbesondere mit seiner Expertise zu Nationalsozialismus und Faschismus gewinnt es internationales Renommee: Die Forschungsprojekte, etwa zur deutschen Besatzung in Italien oder zu den Folgen des Zweiten Weltkriegs in Geschichtspolitik und Erinnerungskultur Italiens und Deutschlands, finden große Beachtung. Regelmäßig erarbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DHI zudem Gutachten für Politik und Justiz und beteiligen sich an Untersuchungskommissionen und Beratergremien. Auch in den Medien ist das Institut mit diesen Themen sehr präsent.
Seit den siebziger Jahren schlägt sich diese Profilerweiterung in den Institutspublikationen nieder. Zwei Reihen zur Neuesten und Zeitgeschichte erscheinen: ab 1974 die "Bibliographischen Informationen zur neuesten Geschichte Italiens", die seit 2009 auch als Datenbank zur Verfügung stehen, und zwischen 1979 und 1999 der Pressespiegel "Storia e Critica".
Das Institut weitet seine Kooperationen mit italienischen und internationalen Institutionen aus und verstetigt sie. 1974 beziehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den heutigen Standort an der Via Aurelia Antica 391. Im selben Jahr starten die "Rom-Seminare" in Zusammenarbeit mit deutschen Universitäten, die seit 1988 als jährliche "Romkurse" für fortgeschrittene Studierende und Promovierende fortgesetzt werden. Zahlreiche Initiativen und Formate kommen bis heute hinzu. Nachwuchsförderung wird zu einer zentralen Aufgabe des DHI.
 

Seit 2002 – Digitaler Wandel und Internationalisierung

2002 wird das Deutsche Historische Institut in Rom mit weiteren geisteswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen der Bundesrepublik in der Stiftung Deutsche Geisteswissenschaftliche Institute im Ausland vereint. 2012 erhält die Stiftung den Namenszusatz "Max Weber". Neue Forschungstendenzen und die Stiftungsaktivitäten vermitteln wichtige Impulse: Weit über den deutsch-italienischen Horizont hinaus bringt sich das DHI mit vergleichenden, verflechtungsgeschichtlichen und transnationalen Perspektiven in die aktuellen wissenschaftlichen Diskurse ein.
Internationaler werden auch der Austausch und die Förderung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. Das Institut organisiert zahlreiche Veranstaltungen für diverse Zielgruppen und bietet ein breites Spektrum an Fördermöglichkeiten für Nachwuchsforscherinnen und -forscher. Verstärkt wird zudem die interdisziplinäre Zusammenarbeit, insbesondere zwischen Musik- und Geschichtswissenschaft am Institut selbst sowie zwischen den in Rom angesiedelten deutschen und internationalen Instituten für Geschichte, Archäologie und Kunstgeschichte.
Schon früh versteht das DHI die Digitalisierung als Chance. Seit 2004 engagiert es sich in den Digital Humanities, den digitalen Geisteswissenschaften. In der Grundlagenforschung eröffnen digitale Editionen und Datenbanken neue Fragestellungen und Anwendungsmöglichkeiten. Sie sind weitgehend frei im Internet zugänglich, ebenso wie viele weitere Institutspublikationen.
Italien, und Rom im Besonderen, ist als Wissenschaftsstandort nach wie vor hoch attraktiv, vor allem für die historisch ausgerichteten Forschungsdisziplinen. Wichtig bleiben daher sowohl langfristig aufgebaute Expertise als auch die nachhaltige Zusammenarbeit mit der internationalen scientific community.
 

Leiter und Direktoren

1888–1890 Konrad Schottmüller
1890–1892 Ludwig Quidde
1892–1901 Walter Friedensburg
1901–1903 Aloys Schulte
1903–1936 Paul Fridolin Kehr
1936–1937 Wilhelm Engel (als Präsident des "Reichsinstituts für ältere deutsche Geschichtskunde")
1937–1942 Edmund E. Stengel (als Präsident des Reichsinstituts)
1942–1945 Theodor Mayer (als Präsident des Reichsinstituts)
1953–1961 Walther Holtzmann
1962–1972 Gerd Tellenbach
1972–1988 Reinhard Elze
1988–2001 Arnold Esch
2001–2002 Alexander Koller (kommissarischer Direktor)
2002–2012 Michael Matheus
seit Oktober 2012 Martin Baumeister