Topoi der Friedensrepräsentation in der italienischen Kantate (17.–18. Jahrhundert)
Dr. Chiara Pelliccia
Von den italienischen Musikgattungen hat die Kantate zusammen mit der Oper im Europa des 17. und 18. Jahrhunderts weiteste Verbreitung gefunden, was zweifellos damit zusammenhing, dass die italienische Halbinsel im Verlauf ihrer politischen Geschichte der Herrschaft und/oder der Einflusssphäre verschiedener, oftmals miteinander in Konflikt stehender fremder Mächte unterworfen war. Deshalb bietet die italienische Kantate einen privilegierten Blickwinkel für eine Untersuchung der musikalischen Friedensrepräsentationen. Die musikwissenschaftlichen Studien haben zwar häufig die Bedeutung des historisch-politischen Kontextes für die Entstehung zahlreicher musikalischer Kompositionen zu besonderen Anlässen oder Festakten hervorgehoben, sich dabei jedoch selten mit der spezifischen Thematik der Friedensrepräsentation befasst. Im Zusammenhang mit anderen zeitgenössischen Musikgattungen (Serenade, Melodrama, Oratorium usw.) geht es nun darum zu prüfen, ob von Topoi bei der Repräsentation des Friedens in der Kantate gesprochen werden kann und ob sich Kontinuitäten/Diskontinuitäten mit den in anderen Musikgattungen entstandenen Formen herausarbeiten lassen; der Blick richtet sich dabei auch auf die Frage, ob einige Typen der Friedensrepräsentation eine paradigmatische Validität für die Musik besitzen. In einem ersten Schritt soll das Quellenmaterial erfasst werden. Danach wird untersucht, in welchen Beziehungen Text und Musik der Kantaten zu den historischen Ereignissen, zu geographischen Kontexten und zum mäzenatischen und akademischen Umfeld, zu den damit verbundenen Theateraufführungen und Oratorien, zu den kulturellen, politischen und religiösen Implikationen usw. stehen. Angestrebt wird unter anderem, Typologien, Merkmale und Funktionen von musikalischen Friedensrepräsentationen herauszuarbeiten, die nicht nur zur Feier von Friedensverträgen geschaffen, sondern auch im allgemeineren kulturellen Umfeld Italiens und Europas im 17. und 18. Jahrhundert geboten wurden; außerdem soll auf diese Weise ein Grundbestand an Kenntnissen für weitere Forschungen auch interdisziplinärer Natur bereitgestellt werden. Vorliegende Arbeit gehört zum interdisziplinären Forschungsprojekt "'Dass Gerechtigkeit und Friede sich küssen' – Repräsentationen des Friedens im vormodernen Europa", das auf eine interdisziplinäre und vergleichende Untersuchung des europäischen Phänomens der Friedensrepräsentationen zielt und für den historischen Aspekt vom Leibniz-Instituts für Europäische Geschichte in Mainz (IEG), für den kunsthistorischen Teil vom Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg (GNM) und für den musikwissenschaftlichen Teil vom Deutschen Historischen Institut in Rom (DHI) betreut wird. Das (auch den verschiedenen fachdisziplinären Perspektiven gemeinsame) Quellenkorpus und die Einzelforschungen sollen der wissenschaftlichen Öffentlichkeit sowohl über die traditionellen Kanäle (Veröffentlichungen, Workshops, Tagungen) als auch über die Erstellung einer Datenbank WissKI zugänglich gemacht werden. Nach den Prinzipien des "semantic web" wird die Datenbank von der Forschergruppe des GNM mit Unterstützung der anderen Fachmitglieder entwickelt; aus musikwissenschaftlicher Perspektive lassen sich in diesem Zusammenhang Kategorien und semantische Deskriptoren erarbeiten, die sich spezifisch für musikalische Inhalte eignen.
Dr. Chiara Pelliccia
Projektmitarbeiterin Musikgeschichte 2015–2018