GRACEFUL17: Global Governance, Local Dynamics: Transnational Regimes of Grace in the Roman Dataria Apostolica (17th Century)

Kooperationsprojekt, Digital Humanities-Komponente des DHI Rom

Die Macht der frühneuzeitlichen katholischen Kirche stützte sich auf sogenannte Gnadenregime, die sich als Netzwerke weltlichen und kirchlichen Einflusses beschreiben lassen. Die "Gnade" eines höheren Machthabers, etwa des Papstes, gewährte bestimmten Personen besondere Privilegien, Einkommen oder Pfründe. Die Organisation dieser Gnadenvergabe oblag der Apostolischen Datarie, einem Amt der Kurie in Rom. Sie fungierte als Vermittlerin zwischen dem Papst und den in ganz Europa verstreuten Empfängern, indem dort Anfragen bearbeitet und Entscheidungen getroffen wurden sowie die Verteilung von Ressourcen überwacht wurde. In der Praxis bedeutete dies, dass das Regieren mithilfe päpstlicher Gnaden auf einem Netzwerk von Verbindungen und Beziehungen basierte. Personen, die mit der Apostolischen Datarie in Verbindung standen oder von ihr unterstützt wurden, konnten von den Vorteilen des Systems profitieren.
Um die administrativen Mechanismen und Auswirkungen solcher Systeme umfassend zu entschlüsseln, setzt das Projekt GRACEFUL17 digitale Technologien und Methoden ein. Hiermit soll der chaotische Arbeitsplatz der frühneuzeitlichen Bürokraten rekonstruiert und eine Forschungsplattform geschaffen werden, die den Zugang, die Analyse und die Visualisierung der umfangreichen Daten aus verschiedenen europäischen Archiven ermöglicht.
Das DH-Team am DHI Rom wird hierfür einen Knowledge Graph entwickeln, der diese Gnadenbürokratie modelliert, mit Hilfe etablierter semantischer Ontologien aus dem Bereich der Digital Humanities und des digitalen Kulturerbes, wie etwa CIDOC CRM. Das langfristige Ziel besteht darin, eine Datengrundlage zur Erforschung frühneuzeitlicher Gnadenregime zu schaffen, die sowohl den Anforderungen des laufenden Projekts gerecht wird, als auch darüber hinaus offen bleiben soll für die Integration weiterer Quellen. Der Knowledge Graph bietet hierbei eine nachhaltige und flexible Grundlage, um diese und ähnliche historische Phänomene in einer Ontologie aufeinander zu beziehen und computationalen Analysen zugänglich zu machen. Die gigantische Menge dieser meist seriellen Quellen und die durch diese bezeugten Netzwerke und Machtstrukturen sind ein idealer Gegenstand für netzwerktheoretische und graphentheoretische Simulationen und Analyseverfahren.
Die Digital Humanities-Abteilung am DHI Rom arbeitet hierbei eng mit dem internationalen Team von GRACEFUL17 zusammen, das aus Nachwuchswissenschaftler/innen und Professor/innen besteht. Die Kooperation aus historischer Forschung und Digital Humanities ermöglicht eine neue Perspektive auf diesen bedeutenden Aspekt frühneuzeitlicher europäischer Geschichte.
Website des Projekts: https://graceful17.hypotheses.org/category/projet

Dieses Projekt wird in Kooperation mit den folgenden Partnerinstitutionen durchgeführt:
Goethe-University Frankfurt a.M.
École nationale des chartes (Paris)
École française de Rome
Université de Reims-Champagne-Ardenne

Ansprechpartner am DHI Rom:
Christoph Sander
Jörg Hörnschemeyer