Alte Herrscher des Mittelalters. Könige, Dogen und Päpste. Ein Beitrag zu einer gerontologischen Mediävistik

Dr. Christian Alexander Neumann

Porträt des Dogen Francesco Foscari (reg. 1423–1457) von Lazzaro Bastiani (Venedig, Museo Civico Correr © Wikipedia Commons).

Alter(n) ist ein universelles und facettenreiches Phänomen: es ist sowohl ein graduell ablaufender biologischer Prozess als auch ein kulturell konstruierter und damit variabler Forschungsgegenstand. Die übergreifende Frage ist diejenige nach der Relevanz des Faktors "Alter" für die Dispositionen menschlichen Handelns. Insbesondere gilt dies für die Träger politischer Macht. Das Ziel besteht darin, die Altersphase ausgewählter mittelalterlicher Herrscher komparatistisch aus "gerontomediävistischer" Perspektive zu analysieren. Unter "Gerontomediävistik" wird eine spezifisch mediävistische Zugangsweise zum Wissenschaftsfeld Gerontologie verstanden. Dem Thema ist bislang zwar eine gewisse Aufmerksamkeit geschenkt worden, aber doch noch nicht dem Maße, wie es möglich und wünschenswert wäre, insbesondere für das Hoch- und Spätmittelalter. Zudem wären eine breitere empirische Basis und eine stärkere theoretische Durchdringung anzustreben. Die drei bisher weitgehend getrennten Traditionen der mediävistischen Forschungen zum Alter, der mediävistischen Forschungen zur Herrschafts- und Politikgeschichte (Königtum, Dogat und Papsttum) sowie der modernen Gerontologie sollen zusammengeführt werden. Damit wird der Blick auf Alter und Herrschaft im Mittelalter innovativ perspektiviert, und gleichzeitig wird gerontologische Theoriebildung an historischen Beispielen auf ihre Zeitgebundenheit hin überprüft. Als Fallstudien sind die venezianischen Dogen, die Könige von England und die Päpste vorgesehen. Diese Auswahl ist auf die Existenz zahlreicher alter Herrscher im Hinblick auf Venedig und das Papsttum sowie auf die günstige und sich wahrscheinlich gut ergänzende Quellenlage zurückzuführen. Drei Perspektiven werden nacheinander verfolgt: eine diskursive, eine diskursiv-praxeologische und eine praxeologische. Für jede Perspektive wird ein spezifischer Quellenfundus anhand eines spezifischen Fragenkataloges analysiert, wobei dennoch gewisse Überschneidungen auftreten. Welche Vorstellungen von Alter und Macht und Repräsentationen alter Herrscher existierten, inwieweit Narrative über konkrete alte Herrscher von diskursiven Norm- und Idealvorstellungen geprägt sind und sich das herrscherliche Agieren durch das Alter(n) gestaltete bzw. veränderte, sind grundlegende Problemstellungen.

Dr. Christian Alexander Neumann
Visiting Scholar (Universität Heidelberg, Kooperationsstelle der Max Weber Stiftung) (2023–2024)
Wissenschaftlicher Mitarbeiter Mittelalter DHI Rom (2017–2023)
Vita
Schriftenverzeichnis
christian[dot]neumann[at]zegk[dot]uni-heidelberg[dot]de