Elitenwandel in Italien im 20. und 21. Jahrhundert

PD Dr. Lutz Klinkhammer

Seit dem 19. Jahrhundert sind Staat und Politik in Italien geprägt von starken gesellschaftlichen Beharrungskräften. Der Elitenwandel war in der liberal-nationalen Monarchie ein eng begrenztes Phänomen, was sich schon in der hohen Exklusivität des Wahlrechts widerspiegelt. Die adelig-großbürgerliche Elite geriet im Faschismus unter Druck, ohne jedoch vom Regime vollends entmachtet zu werden. Der Sturz Mussolinis, der 1943 von innen heraus und mit Unterstützung der Monarchie erfolgte, unterstreicht die Resilienz der alten Eliten. In der italienischen Republik seit 1946 waren es die beiden großen Volksparteien, die Christdemokraten und die Kommunisten, die bis zum Fall der Mauer den innergesell­schaft­lichen Wandel proklamierten bzw. gestalteten. Wie verwandelte sich die gesellschaftliche Elite, die nach der Abschaffung der Monarchie und der Adelstitel vor allem durch das Besitzbürgertum repräsentiert war, welche Prozesse der gesellschaftlichen Öffnung und Erweiterung der Führungsschichten charakterisierten die Nachkriegsdemokratie? Welche Rolle spielte der "trasformismo", jener Mechanismus, der vielfach als Konstante in der italienischen Politik gilt und der anstelle eines Machtwechsels auf eine Erweiterung des dominierenden politischen Spektrums setzt? Das Forschungsprojekt steht in einer Tradition zeithistorischer Studien, die am Institut durchgeführt wurden und bietet Vernetzungs- und Anschlussmöglichkeiten für externe Projekte. Es zielt – ausgehend von den Audienzen Mussolinis 1922–1945 und dem Führungspersonal in Staat und Politik für die Zeit nach 1945 – auf eine gruppenbiographisch basierende Untersuchung des gesellschaftlichen Wandels in Italien im 20. Jahrhundert ab, die eine Analyse des heutigen Italien über die tagespolitischen Ereignisse hinaus ermöglichen soll.

PD Dr. Lutz Klinkhammer
Stellvertretender Direktor, Referent für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts
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