Genuesische Handelsnetzwerke in Afrika und jenseits des Atlantischen Ozeans (ca. 1450–1530)
Dr. Carlo Taviani (in Zusammenarbeit mit Takin.solutions und der Università degli Studi di Teramo)
Zuvor gefördert durch das internationale Forschungsprojekt der Max Weber Stiftung Wissen entgrenzen (2019–2021)
Dokumentarfilm
MedAtlantic. Perspectives on the Past (20 min.)
Ab Mitte des 15. Jahrhunderts wurden genuesische Familien auf der südlichen Iberischen Halbinsel immer aktiver, gründeten Siedlungen in mehreren Hafenstädten und trieben in Richtung Süden Handel mit Afrika und in Richtung Norden mit Flandern und England. Die Inseln rund um Westafrika wurden zu wichtigen Regionen für ihre Handelsaktivitäten: Madeira und die Kanarischen Inseln, die von vielen genuesischen Kaufmannsfamilien bewohnt wurden, waren für die Zuckerproduktion und die Ausweitung der Plantagenanlagen von entscheidender Bedeutung, und auch die Kapverdischen Inseln wurden zu einer wichtigen Drehscheibe für den frühen atlantischen Sklavenhandel. Der Großteil der Forschung über die genuesische Präsenz auf diesen Inseln, in Nordafrika und sogar in der Neuen Welt konzentrierte sich bisher auf die berühmten Reisen und Unternehmungen von Entdeckern und Abenteurern, wie auf die Legende der Brüder Vandino und Ugolino Vivaldi (1291), die "Entdeckung" der Kanarischen Inseln durch Lanzarotto Malocello (1312), die des Kapverdischen Archipels durch Antonio Da Noli (1462), die Reisen in die Sahara durch Antonio Malfante (1447) und nach Gambia durch Antoniotto Usodimare (1455) sowie die berühmte "Entdeckung" Amerikas durch Christoph Kolumbus (1492). All diese einzelnen genuesischen Entdecker sind gut bekannt, aber ihre Unternehmungen stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. Die umfangreichen sozialen, finanziellen und intellektuellen Netzwerke der Genueser, die hinter deren Ruhm stehen, müssen erst noch erforscht werden.
Dieses Projekt möchte einen kohärenten Datenbestand zur Untersuchung der genuesischen Handelsnetzwerke entwerfen, die allzu lange von den historischen Persönlichkeiten der großen Entdecker und Abenteurer überschattet wurden. Wie weit erstreckten sich ihre Netzwerke? Welche Informationen besaßen diese Familien über Westafrika und womit trieben sie Handel? Welche Bräuche hatten sie, übertrugen sie oder eigneten sie sich an? Wie waren sie in die Versklavung von Menschen verwickelt?
In den letzten Jahren wurden im Rahmen des Projekts Daten in den Notariatsarchiven in Genua, Sevilla, Málaga, Jerez de La Frontera, Teneriffa und Gran Canaria gesammelt. Die Forschungen wurden vom Deutschen Historischen Institut in Rom im Rahmen des Projekts "Wissen entgrenzen/Knowledge Unbound" finanziert. Das Unternehmen Takin.solutions, das Instrumente für die Erstellung und Verwaltung von semantischen Datenbanken im Bereich des kulturellen Erbes herstellt, hat mit Hilfe von CIDOC-CRM eine Struktur erstellt, die wir für die Modellierung unserer Plattform mit Arches.Project, einer Open-Source-Datenverwaltungsplattform, verwenden.
Das Datenmodell ist in Form von Klassen und Eigenschaften definiert, die auf der semantischen Ontologie des CIDOC Conceptual Reference Model (https://cidoc-crm.org/) basieren und von dieser erweitert wurden. Diese Klassen und Eigenschaften definieren die Entitäten in der Datenbank und die Beziehungen zwischen ihnen. Das Datenmodell wurde von Takin.Solutions (https://www.takin.solutions/) entwickelt und speziell für den historischen Kontext der Handelsaktivitäten in der atlantischen Welt des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts konzipiert.
Die wichtigsten Klassen und Eigenschaften des Datenmodells sind die Personen, Institutionen, Orte und physischen Objekte des frühneuzeitlichen Atlantikhandels und die Beziehungen zwischen ihnen. Die Klassen definieren auch die rechtlichen und vertraglichen Unterlagen, die abstrakte Handelsereignisse aufzeichnen – wie z. B. Änderungen des Eigentumsrechtsstatus, des Besitzstatus, des Verwahrungsstatus, des Verpflichtungsstatus, des sozialen Status und des institutionellen Status – in Übereinstimmung mit der ereignisbasierten Struktur von CIDOC-CRM. Zum Aufbau der Datenbank verwenden wir das ARCHES-Projekt (https://www.archesproject.org/).
Projektkoordinator ist Carlo Taviani. Seine Forschung konzentriert sich auf die atlantischen Inseln zwischen Afrika und der Neuen Welt als ein zusammenhängendes Wirtschaftssystem und analysiert die Rolle der genuesischen Händler als Förderer der Entdeckungen im Schatten der sogenannten iberischen "Expansionen".
Dr. Carlo Taviani
Wissenschaftlicher Mitarbeiter DHI Rom / Visiting Scholar 2018–2024